Laut Verfassung wir leben nicht allein auf der Welt!

Jungsozialist Kevin Kühnert kann sich eine Wirtschaftsordnung vorstellen, in der Großkonzerne kollektiviert werden und Wohnraum nicht mehr als Renditegenerator für Privatinvestoren zur Verfügung steht, und halb Deutschland tut, als habe ihm das Gespenst des Kommunismus leibhaftig aus toten Augen ins aschfahle Gesicht geguckt. Die FDP fordert die Sozialdemokraten auf, ihr „Verhältnis zum Eigentum zu klären“, die CSU will von ihrem Koalitionspartner knallharte Beweise sehen, dass er „nicht sozialistisch denkt“, und die AfD ruft vor lauter Entsetzen lauthals nach dem Verfassungsschutz. Was ich jenseits von der Frage der wirtschafts- und sozialpolitischen Klugheit und Ausgegorenheit, die diesen Ideen eigen sein mag oder nicht, an dem Vorgang interessant finde, ist die offenbar von erstaunlich vielen für selbstverständlich gehaltene Implikation, dass Sozialismus irgendwie per se verfassungsfeindlich ist. Als sei die Idee, ins Privateigentum einzugreifen, etwas, womit man sich als ordentliche demokratische Partei völlig disqualifiziert und vom Boden des Grundgesetzes entfernt. Ich frage mit Johannes Kahrs: was haben die, die das behaupten, eigentlich geraucht? Legal kann es nicht gewesen sein.

Das Eigentum, so steht es in Artikel 14 Abs. 1 S. 1, wird gewährleistet: Was Meins ist, womit ich mir mein privates Leben einrichte und womit ich wirtschafte, um für mich sein zu können und von niemand abhängig zu sein, das darf mir nicht einfach so weggenommen werden, nur weil jemand Mächtigeres findet, dass Meins besser Seins sein sollte. Das gilt auch und gerade für den Staat – aber mit Betonung auf „einfach so“. Tatsächlich darf der Staat fast alles mit meinem Eigentum machen, auch es mir wegnehmen – aber eben nicht einfach so. Er darf mir den Gebrauch meines Eigentums bis an den Rand der völligen Nutzlosigkeit wegregulieren (Art. 14 Abs. 1 S. 2) – aber nur zu einem Gemeinwohlzweck, der zu meinem Verlust in einem angemessenen Verhältnis steht. Er darf mir das Eigentum auch knallhart entziehen – aber nur durch oder aufgrund ordentlich erlassener Gesetze und gegen angemessene Entschädigung (Art. 14 Abs. 3). Was er nicht darf, ist einfach über mich drüberlatschen, als sei ich gar nicht da. Aber solange er das nicht tut, solange ich als Privatperson noch irgendwie einigermaßen angemessen vorkomme in seinem Kalkül – solange gibt es wenig, was er nicht tun kann mit meinem Eigentum.